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Wenige hundert Meter Luftlinie trennen die US-Botschaft vom Reichstagsgebäude in Berlin.

© Wolfgang Kumm/dpa

Update

Streit um verlorene Corona-Schutzmasken: US-Botschaft wirft Berliner Senat „Desinformationskampagne“ vor

Wem gehörten die Schutzmasken in Bangkok? Berlins Vertragshändler teilt der Innenverwaltung mit: "Lieferung nach US-Direktive storniert". USA wehren sich.

Im transatlantischen Streit um begehrte Schutzmasken wehrt sich die US-Botschaft in Berlin – mitnichten hätten die amerikanischen Behörden für Berlins Polizei bestimmte Lieferungen konfisziert.

"Die Regierung der Vereinigten Staaten hat nichts unternommen, um für Deutschland bestimmte 3M-Lieferungen umzuleiten, noch wussten wir irgendetwas von solchen Sendungen", teilte die US-Botschaft mit. "Die USA arbeiten mit ihren Partnern und Verbündeten solidarisch daran, bedürftigen Ländern humanitäre Hilfe bereitzustellen." Man sei besorgt über "allgegenwärtige Versuche, die internationalen Anstrengungen zu spalten – durch Desinformationskampagnen ohne Angaben von Quellen".

Wie berichtet, war eine für die Berliner Polizei bestellte Ladung von 200.000 Schutzmasken der US-Firma 3M auf dem Flughafen im thailändischen Bangkok verschwunden. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte am Freitag gesagt, die Masken seien auf Betreiben der USA "konfisziert" worden.

Er sprach von einem "Akt moderner Piraterie". Im ZDF wiederholte er am Montag den Vorwurf der Konfiszierung nicht, der Senator sagte allerdings, die verschwundenen Masken seien inzwischen in den USA gelandet.

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Geisels Sprecher sagte, man bleibe bei der Einschätzung zu den in Bangkok verschwundenen Schutzmasken. "Wir nehmen das Dementi der US-Botschaft zur Kenntnis, bleiben aber auf Grundlage der uns vorliegenden Informationen bei unserer Darstellung."

Die Schutzmasken seien von Berlins Polizei bei einem deutschen Medizinfachhändler bestellt worden. Nach Informationen dieses Vertragshändlers sei die Lieferung nach einer US-Direktive storniert und das Frachtflugzeug in die USA umgeleitet worden.

Unbestätigten Angaben zufolge, so berichten Klinikfunktionäre und Sicherheitsbeamte, wurde die Lieferung durch die USA aufgekauft – bevor sie letztgültig der Bundesrepublik veräußert worden wäre. Ob überhaupt und in welcher Form Druck auf den Medizinfachhändler ausgeübt wurde, ist bislang unklar.

Lieferungen werden inzwischen von Sicherheitskräften begleitet

Der Sprecher von Senator Geisel sagte zudem, von der im Tagesspiegel und im Botschaftsdementi erwähnten US-Firma 3M habe die Senatsinnenverwaltung nie gesprochen. Die Berliner Polizei habe lediglich einen bestimmten Schutzmasken-Typ, die bekannten FFP2, bestellt. Man versuche nun zu klären, wie die Kette von Bestellung, Produktion und Lieferung abgelaufen ist - und was auf dem Flughafen in Thailand passierte.

[Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus in Berlin lesen Sie in unserem Newsblog.]

Washingtons Diplomaten in Berlin erklärten, die USA habe die heimische Medizinmaterial-Produktion hochgefahren, kaufe aber zugleich Überangebote anderer Länder auf. Die US-Regierung werde Maßnahmen gegen "Wucherpreise und Pandemie-Geschäftemacherei" ergreifen.

Berliner CDU fordert Entschuldigung bei der US-Regierung

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger warf dem rot-rot-grünen Senat am Montag vor, Berlin mit seinen Äußerungen über die USA erheblich geschadet zu haben. „Die Einschätzung der amerikanischen Botschaft ist eine schallende Ohrfeige für Herrn Geisel und Herrn Müller“, sagte Dregger.

Der Oppositionsführer forderte, der Senat müsse sich bei den USA entschuldigen und erklären, aufgrund welcher Tatsachen er annehme, dass die US-Regierung in der Sache aktiv geworden sei. Christian Gäbler, der Chef der Senatskanzlei von Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) warf der CDU dazu am Montag via Twitter das Verbreiten einer „Verschwörungstheorie“ vor. Was genau er damit meinte, erklärte Gäbler nicht.

Das Beschaffen nötiger Schutzutensilien in der Coronakrise – also Masken, Brillen, Anzügen – fordert Deutschland stärker heraus als erwartet. Vor drei Wochen war zur Überraschung des Senat nur eine Minimallieferung der Bundesregierung in Berlin eingetroffen.

Lieferungen mit Schutzmasken werden inzwischen von Sicherheitskräften begleitet. Niedergelassene Ärzte drohten, Praxen schließen zu müssen, weil Masken, Kittel, Handschuhe und Desinfektionsmittel fehlten.

Zwei Millionen Schutzmasken werden in Berlin verteilt

In den Kliniken wurden Masken rationiert. Die Lage hat sich am Wochenende gebessert, als eine andere Lieferung aus China eingetroffen: Zwei Millionen Masken und 300.000 Schutzkittel werden nun an Ärzte und Pflegekräfte verteilt. Das ansteckende Coronavirus kann zum schweren Lungenleiden Covid-19 führen.

Ein Sprecher der Berliner Polizei sagte, es gebe weiter Gespräche mit den Vertragshändlern. Dabei gehe es sowohl um Ersatz für die 200.000 FFP2-Schutzmasken, die auf dem Flughafen der thailändischen Hauptstadt Bangkok verschwunden waren, als auch um weitere Bestellungen.

Die zwei Millionen einfachen Mund- und Nasenschutzmasken, die am Wochenende in Berlin ankamen, sind für die Polizisten weniger geeignet. Sie schützen nicht den Träger der Maske vor Viren, sondern verhindern nur, dass er seine Atemluft weit verbreitet. Getragen werden sie vor allem von Ärzten und Pflegenden in Krankenhäusern, Praxen und Seniorenheimen, um Patienten nicht anzustecken. (mit dpa)

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